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Gärtnernd die Welt retten

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Max Bottinis Projekt „Aus dem Tisch! Auf den Tisch!“ verzauberte letzten Sommer in Frauenfeld immer wieder aufs Neue, weil es sich durch das Wachstum der Pflanzen ständig veränderte. Archivbild

Max Bottinis Projekt „Aus dem Tisch! Auf den Tisch!“ verzauberte letzten Sommer in Frauenfeld immer wieder aufs Neue, weil es sich durch das Wachstum der Pflanzen ständig veränderte. Archivbild

Die Tafel im Garten des Natur- und Archäologiemuseums mitten in Frauenfeld ist hübsch gedeckt: Aus dem Drahtgeflecht-Tisch wachsen Peperoni und Auberginen direkt in die bereitstehenden Teller, der Regen hat die Weingläser gefüllt. Die Stühle sind mit weichen, sattgrünen Rasenpolstern bezogen, der Festschmaus kann beginnen. Max Bottinis Projekt „Aus dem Tisch! Auf den Tisch!“ verzauberte letzten Sommer immer wieder aufs Neue, weil es sich durch das Wachstum der Pflanzen ständig veränderte.

Jetzt beginnt eine neue Gartensaison. Darauf dürften sich auch die Urban Gardener oder Urban Farmer freuen. Lustvoll und unbekümmert gärtnerten die jungen Frauen und Männer letzten Sommer auf Plätzen und in Hinterhöfen von Schweizer Städten, verwandelten Stadtbrachen in blühendes Land und ernteten neben frischen Kräutern, Salatköpfen und Tomaten auch Lebenssinn.

Lebensmittel selbst anzubauen, um daraus etwas Nahrhaftes und Gesundes zu kochen, scheint das Natürlichste der Welt zu sein. Dennoch sollten vor 130 Jahren ausgerechnet Fertigsuppen die schlechte Ernährung der Fabrikarbeiterinnen und –arbeiter verbessern. Der gebürtige Frauenfelder Julius Maggi erfand Leguminosemehle, um damit Fertigsuppen anzurühren. Ist es Ironie des Schicksals oder logische Konsequenz, dass Fertigprodukte heute für ungesundes Essen stehen? Auch angesichts der Fleischskandale ist Umdenken gefragt.

Für einmal kann sich die Gesellschaft ein Beispiel an den jungen Menschen nehmen, die seit Sokrates gerne für den Zerfall der Zivilisation verantwortlich gemacht werden. Gemeinschaftliches Gärtnern kann nämlich die Welt retten. Wer will denn noch Gammelfleisch essen, wenn es eigenes Gemüse gibt? Und wer unreife Südfrüchte, wenn vor der Haustür Beeren und Äpfel wachsen? Durch den Verzicht auf Importwaren braucht es weniger Lastwagen- und Flugzeugtransporte; die Strassen werden leerer, die Welt stiller. Der Stress schwindet; Ferien in der Ferne werden unnötig. Man verspeist mit Familie, Nachbarn und Freunden das gemeinsam Gezogene und Geerntete, danach erzählt man sich Geschichten, singt Lieder. Die Idylle ist perfekt. – Allerdings nur, bis jemand auf die Idee kommt, die zeitraubende Gartenarbeit zu rationalisieren.


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